Schulentwicklung

Schulhofumgestaltung

Das Außengelände der Stadtschule Travemünde ist mehr als ein Aufenthaltsort während unterrichtlicher Pausen. Er formt gemeinsam mit dem Gebäude und allen Räumen den zentralen Lebensmittelpunkt vieler Kinder in Travemünde. Zudem ist er auch ein Lernhof, ein Turn- und Sporthof, ein Spielhof und ein Veranstaltungsort und Treffpunkt. Natürlich erfüllt er auch die Funktion eines Rückzugsortes. 

Die Kinder in unserer Zeit sind den Großteil ihrer wachen Zeit im schulischen Kontext. Hierbei ist nicht immer die tatsächliche messbare Zeitangabe in Minuten und Stunden zutreffend – auch wenn das in Travemünde bei über 50% der Schülerschaft auch zutrifft. Vielmehr geht es um das Konzentrationsvermögen, die Energie und die Anstrengung, die die Kinder im Laufe eines Tages leisten. Hiervon leisten alle Kinder den Großteil in der Schule. Aus diesem Grund ist Schule heute mehr denn je auch ein wichtiger Lebensraum, den es verantwortungsvoll zu gestalten gilt. 

Unser Schulhof soll nun ein lebendiger Ausdruck dieses Denkens in multifunktioneller Sicht werden:

  • Er soll ein Spielhof sein. Vielfältige Spielmöglichkeiten müssen entstehen, die es ermöglichen, viel physische Energie produktiv und kreativ umzusetzen, um im Laufe des Tages die Dinge leisten zu können, die eigentlich unnatürlich für unsere Kinder sind, aber von unserem Schulsystem von ihnen gefordert werden,

  • Er soll ein Lernhof sein. Lernen auf jede Quadratmeter unseres Schulgrundstückes (inkl. des Gebäudes s.o.) muss möglich sein. Hierzu müssen Angebote geschaffen werden, die auch zum Arbeiten einladen: Arbeiten alleine, zu zweit oder in der Gruppe. Er soll Möglichkeiten eröffnen zu experimentieren, die Element, die Natur und die Wissenschaft erfahrbar und greifbar zu machen.

  • Er soll ein Turnhof sein. Sport zu treiben, sich zu bewegen, ist ein Grundbedürfnis, das sich bei vielen Grundschulkindern (Noch) nicht zurückgebildet hat. Diesem wollen wir Rechnung tragen und vielfältige Bewegungsformen anbieten, die vor allen Dingen eines nicht sind: geradlinig. Schief und Krumm wollen wir laufen, klettern, kriechen, … damit wir in unserer zunehmend bewegungsarmen Zeit unsere Schülerinnen und Schüler optimal für ihre weitere Zukunft auch im körperlichen Sinne vorbereiten. gerade auch in diesem Bereich kommt Schule heute, bei zum Teil sehr langen Nachmittagsbetreuungsbedarfen eine immer größer werdende erzieherische Verantwortung zu, da die Nachmittagsgestaltung im Elternhaus zum Teil nicht mehr geleistet wird/werden kann.

  • Er soll ein Veranstaltungshof und Treffpunkt sein. Veranstaltungen sind hier schulische Veranstaltungen. Von sportlichen Aktivitäten über Theater- und Musikaufführungen (s.o.) bis hin zu Versammlungen im Schülerparlament oder mit der gesamten Schulgemeinschaft. Natürlich wünschen wir uns unseren Schulhof aber auch als zentralen Anlaufpunkt unseres Stadtteils. Gerade mit unserem Träger des Offenen Ganztags, dem Haus der Jugend Travemünde e.V. möchten wir die Möglichkeiten des Stadtteils für ganz Travemünde und Lübeck erweitern.

    Zudem muss unser Schulhof im schulischen, aber auch außerschulischen Sinne ein offline Treffpunkt werden. Die Entwicklung im social Media Bereich mit der „Offline-Vereinsamung“ und allen anderen Konsequenzen, die die derzeit grassierende, fast als unverantwortlich zu bezeichnende Tendenz von Kindern und Jugend im 

  • Bereich der Online Aktivitäten mit sich bringt, macht einen attraktiven und modernen Treffpunkt unbedingt notwendig.

Zu diesen essentiellen Punkten in dem Bemühen um eine Neugestaltung des Schulhofes der Stadtschule Travemünde möchten wir die Wichtigkeit des Spielens für die Entwicklung der uns anvertrauten Kinder und das Verständnis von freiem Spiel in unseren Außenanlagen herausstellen. 

Einige belegte Fakten zum Spielen, die unsere Einstellung prägen:

  • Das Spielen im Freien hat in den letzten 30 Jahren unbemerkt abgenommen. Kinder verbringen nur noch halb so viel Zeit draußen, wie deren Eltern in ihrer Zeit. (Quelle: Die Magie des Spielens, SWR Mediathek)

  • Grundschüler spielen statistisch nur noch 30 Minuten täglich draußen. (Quelle: Die Magie des Spielens, SWR Mediathek)

  • Eins von fünf Kindern hat Entwicklungsverzögerungen oder Verhaltensauffälligkeiten. Eins von acht Kindern ist psychisch krank. (Quelle: WHO)

  • Alle Säugetiere haben im Wesentlichen dieselbe Hirnstruktur. Wenig Spiel in der Wachstumsphase führt zu einer Unterentwicklung des präfrontalen Cortex (Sergio Pellis, University of Lethbridge, Alberta, Kanada)

  • Körperliches Spielen macht klüger, intelligenter und vielleicht sogar freundlicher. (Dr. Stuart Brown)

Spielen ist also viel mehr als nur reines Körpertraining oder gar nur ein Ventil für angestaute Energie, die in möglichst kurzen Pausen abgeleitet werden muss, um Körper und Geist wieder aufnahmefähig für die Lehren des Unterrichtes zu machen. Unser Schulsystem, wie unser wirtschaftliches Denken wird von den Grundsätzen der Industrialisierung geleitet, die die Produktivität deutlich mehr wertschätzen, als des Wohlbefinden und die Selbstverwirklichung des Einzelnen. 

Schaut man sich nun die Entwicklung des Arbeitsmarktes und die Prognosen u.a. des Weltwirtschaftsforums für die kommenden Jahrzehnte an, so wird mehr als deutlich, dass die Werte, die im Zeitalter der Industrialisierung gefordert wurden, rapide an Bedeutung verlieren. Kompetenzen wie Kreativität, Flexibilität, Frustrationstoleranz, Teamfähigkeit, u.v.m sind die Dinge, die die derzeit in unseren Schulen lernenden Kinder und Jugendlichen brauchen. 

Neben einem deutlichen Paradigmenwechsel im Bereich der unterrichtlichen Aktivitäten, braucht es auch ein fundamental anderes Verständnis der Bedeutung des Spielens.

Stuart Brown erkannte und postulierte, dass Spielen nicht trivial ist. Es dient dazu einen Sinn für Optimismus, für Selbstverwirklichung für Kompetenz und für Eigenwahrnehmung zu fördern und trägt so zum Wohlbefinden des Einzelnen dar.

Spielen hilft auch, mit den Höhen und Tiefen des Lebens klarzukommen. Ohne regelmäßiges Spiel entstehen soziale Ängste. Grundschülern, die nur noch 30 Minuten draußen spielen, fehlt mehr als frische Luft und Bewegung.

Dabei muss Spielen auch das subjektive Empfinden von Gefahr ermöglichen. Eine weiteres Ziel eines zukunftsorientierten Schulhof muss es aus unserer Sicht also sein, dass die Nutzerinnen und Nutzer bei objektiv geringem Gefahrenpotenzial sich subjektiv empfundenen Gefahren aussetzen können.

Bestätigt wird diese Einstellung durch die Forschungen von u.a. Ellen Sandseter der Universität Trondheim, die die Theorie des riskanten Spielens vertritt. Wenn Kinder sich Gefahren aussetzen und riskante Spielsituationen erleben, lernen sie ihren Körper und grundlegende Risikomanagementfähigkeiten. So lassen sich Unfälle verhindern, in dem man Gefahren selber erleben darf. Zudem dies in einem Alter, in dem die relative Fallhöhe (ob der eigenen Körpergröße) gering ist und die Absorptionsfähigkeit des eigenen Körpers ob seiner physischen Struktur deutlich größer ist, als in späteren Jahren.

„Riskantes Spiel“ gibt zudem die Gelegenheit, Unsicherheit zu erfahren und Dinge zu tun, vor denen wir uns fürchten. Im riskanten Spiel gewöhnen wir uns an unsere Ängste und den Umgang damit. Forschung legt nahe, dass riskantes Spiel vor Angststörungen schützen kann.

„Wenn wir Kinder vor jeder erdenklichen Gefahr beschützen, werden sie weniger belastbar und wissen sich nicht selbst zu helfen.“ (Gordon Burghardt, University on Tennessee)